FDP-Präsident zur Nationalratswahl: «Es war eine Hauruck-Übung»

Die taktischen Überlegungen der FDP, die zur Kandidatur von Beatrice Richard-Ruf führten, waren von aussen schwer nachvollziehbar. Im Interview geht Präsident Raphael Bodenmüller auf den geringen Stimmenanteil ein.

Die FDP Nidwalden hat mir ihrer Kandidatur für den Nationalrat am letztmöglichen Tag teilweise für Kopfschütteln gesorgt. Die liberale Kandidatin Beatrice Richard-Ruf überzeugte nur 14,8 Prozent der Stimmenden. Das wirft ein merkwürdiges Licht auf die FDP-Kantonalpartei. Parteipräsident Raphael Bodenmüller nimmt Stellung.

 

Die FDP hat bei den Nationalratswahlen in Nidwalden nur knapp 15 Prozent der Wählerinnen und Wähler überzeugt. Wie erklären Sie sich dieses Resultat?

Zunächst möchte ich den Blick auf den Ständerat lenken. Mit dem Wahlresultat von 70 Prozent für Hans Wicki sind wir sehr zufrieden. Für den Nationalrat hatten wir ein schlechtes Resultat, wenn wir die Prozentzahlen anschauen. Es ist aber ein gutes Resultat, wenn man bedenkt, dass wir wenig Vorbereitungszeit hatten. Natürlich hätten wir uns den Wähleranteil von rund 27 Prozent wie bei den kantonalen Gesamterneuerungswahlen erwünscht.

 

Dann hätten Sie auf eine Kandidatur ja verzichten können.

Wir hatten nicht vor, anzutreten, und warteten längere Zeit auf die Entscheide der anderen Parteien zu ihrem Vorgehen betreffend die Nationalrats-, aber auch Ständeratswahlen. Schliesslich sprachen aber mehrere Gründe dafür. Punkt eins ist, dass die Mitte und SVP Nidwalden keine Wunschkandidierenden aufgestellt haben. Der zweite Punkt ist die FDP Schweiz. Auf uns wurde sehr viel Druck ausgeübt, einen Kandidaten aufzustellen. Aufgrund der Umfragewerte befürchtete die Parteispitze, dass uns die Mitte überholen könnte. Das Gesamtresultat aus allen Kantonen ist etwa für die Bundesratswahl entscheidend. Drittens hatten wir an der Parteiversammlung vom 31. August 2023 beschlossen, einen eigenen Kandidaten aufzustellen. Leider gab es an der besagten Versammlung keine konkreten Vorschläge. Mit dem Wahlresultat haben wir 0,1 Prozent Wähleranteil für das schweizweite Resultat erreicht. Ein wichtiger Beitrag, wie wir heute wissen. Selbstverständlich hätten wir auch 0,2 Prozent oder mehr erreichen wollen.

 

In Nidwalden gibt es den entscheidenden Unterschied, dass nur je ein Sitz im Stände- wie im Nationalrat zur Verfügung steht. Woher nimmt die FDP die Arroganz, beide Sitze zu beanspruchen?

Unser Handeln betrachten wir nicht als arrogant. Wir waren klar der Meinung, dass die Auswahl von drei statt zwei Kandidaten von der Bevölkerung positiv aufgenommen werden könnte. Natürlich hätten wir uns über einen Nationalratssitz gefreut. Schliesslich hat auch die CVP 50 Jahre lang beide Sitze beansprucht. Wieso sollte das nicht auch mal für eine andere Partei gelten?

 

Weil das zu einer Zeit entstand, als die CVP die absolute Mehrheit im Kanton hatte.

Auch eine absolute Mehrheit berechtigt nicht, beide Sitze in Bern zu beanspruchen. Man muss sich zudem fragen, weshalb die Mitte heute drei Regierungssitze hat, obwohl sie bei den letzten Wahlen prozentual betrachtet schlechter abschnitt als die FDP. Und auf der anderen Seite kann man sich auch fragen, warum die SVP vor einem Jahr unsere Regierungskandidaten nicht unterstützt hat.

 

Nun kommen wir des Pudels Kern näher. Sie haben also bewusst die SVP geschwächt, indem Ihre Kandidatin Roland Blättler Stimmen wegnehmen sollte?

Nein. Wir sind klar der Meinung, dass unsere Kandidatur im Maximum die Mitte hätte gefährden können, weil die beiden Frauen dieselbe Wählerschaft ansprachen und Beatrice Richard-Ruf mit Sicherheit nicht am rechten Rand unserer Partei politisiert. Aber letztlich haben wir vermutlich die Stimmen erhalten, welche die anderen beiden Kandidaten als nicht wählbar einschätzten.

 

Wen hätten die anderen Parteien denn aufstellen sollen, die Sie als optimal betrachteten?

Wir haben früh mit den anderen Parteien das Gespräch geführt. Ich hätte mir von den beiden Parteien Mitte und SVP gewünscht, dass sie mit einer Regierungsrätin antreten würden. Dann hätten wir uns klar für eine der beiden Frauen entschieden, auch wenn das gegenüber der FDP Schweiz etwas schwieriger zu erklären gewesen wäre.

 

Wie ist es schliesslich zur Kandidatur von Beatrice Richard-Ruf gekommen?

Der Vorstand hatte im Januar 2023 beschlossen, keinen Nationalratskandidaten aufzustellen. An der Generalversammlung vom 31. August 2023 wurde ein Antrag gestellt, doch noch eine Person zu nominieren. Der Antrag wurde gutgeheissen, doch fand sich, wie bereits erwähnt, während der Versammlung kein Kandidat, der sich zur Verfügung stellen wollte. Eine schwierige Situation. Nach der Versammlung kam es zu weiteren Gesprächen und zum Vorschlag, Beatrice Richard-Ruf zu nominieren. Da dem Vorstand die Kompetenz zur Nomination fehlte, wurde Beatrice Richard-Ruf zur Wahl empfohlen.

 

Es steht der Vorwurf im Raum, Sie hätten dadurch die Statuten nicht eingehalten.

In den Statuten steht, dass die Versammlung Personen nominiert. Eine Nomination hat aber nicht stattgefunden, weil dies zeitlich nicht mehr möglich gewesen wäre. Der Vorstand hat bei besonderen Vorkommnissen die Kompetenz, zu entscheiden. Wir haben die Kandidatur unterstützt, nominiert wurde aber niemand, was auch für den Vorstand eine nicht einfache, neue Ausgangslage war.

 

War es also eine Hauruck-Übung?

Ja, bestimmt war es eine Hauruck-Übung. Von dem Vorstoss an der Parteiversammlung am Donnerstag bis zur Eingabe am darauffolgenden Montag war es das. Dies auch verursacht durch die sehr späte Bekanntgabe von weiteren Ständeratskandidaten. Politik braucht Zeit für Diskussionen und einen legitimierten Entscheid. Das bedeutet aber nicht, dass das Prozedere von Seite FDP nicht valabel war. Keine Hauruck-Übung war hingegen der Druck, den man uns aufgebaut hat. Kein Kanton wäre gerne schuld daran gewesen, wenn die FDP die Wahl verloren hätte.

 

Im Fussball rollen nach einem schlechten Resultat Köpfe. Wie ist das bei der FDP Nidwalden?

Welche Köpfe meinen Sie? Wir haben keinen Trainer bei uns, sondern einen Präsidenten und einen gut funktionierenden Vorstand. Wir hatten ein super Resultat bei den Ständeratswahlen und ein nicht ganz so gutes Resultat im Nationalrat. Nicht alle Spieler können Tore schiessen. Sollte man dafür die ganze Mannschaft auswechseln?

 

Was hat die Basis zur ganzen Angelegenheit gemeint?

In der Regel melden sich die Unzufriedenen. Bei den meisten haben wir es geschafft, die Ausgangslage positiv zu erklären. Oft kam die Frage: Musste es unbedingt sein?

 

Und Ihre Antwort darauf?

Wir waren uns des Risikos bewusst, dass wir die Wahl um den Nationalratssitz verlieren könnten. Das tiefe Resultat ist insbesondere für Beatrice Richard-Ruf nicht schön, denn sie hat vieles für den Kanton Nidwalden geleistet und positiv bewegt. Aber als Präsident der FDP Nidwalden stehe ich hinter Beatrice Richard-Ruf als Kandidatin, sie ist eine erfahrene Persönlichkeit mit einem grossen politischen Wissen, und ich stehe auch hinter dem Prozess.

 

Was haben Sie aus diesen Wahlen gelernt?

Auf die Wahlen 2023 kann man auf zwei Arten reagieren. Zum einen hart zu bleiben gegenüber dem Druck – etwa von der FDP Schweiz. Oder sich viel früher für eine Kandidatur zu entscheiden. Das heisst, eine starke Person über längere Zeit aufzubauen, damit diese auch gewählt wird. Zu dem Zeitpunkt, als wir diese Entscheide fällen mussten, hatten wir keine Kandidierenden und der Druck war gross. Was wir wirklich lernen müssen: Mit den anderen Parteien noch früher zu reden und zu schauen, wie man Wahlen gemeinsam und im Sinne der Nidwaldner Bevölkerung angeht.

 

Sie als FDP-Präsident haben unserer Zeitung ein Interview vorgeschlagen. Hatten Sie Angst vor einem Image-Schaden?

Nein, wir leisten hervorragende politische Arbeit im Kanton, aber während den Wahlvorbereitungen vermissten wir den nötigen Support der Medien. Anstelle die Medien zu kritisieren, wollen wir mit dem Interview wieder mehr Vertrauen gewinnen und die Zusammenarbeit fördern. Einige Dinge klarzustellen, machte zudem Sinn, weil sich gewisse Bürger, die nicht unserer Partei angehören, über Leserbriefe in unsere parteiinternen Angelegenheiten eingemischt haben. Diesen wollen wir unter anderem mit diesem Interview gerne sachlich entgegnen.